Wildwest war gestern

Den Rüben auf der Spur

Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Das muss nicht sein. Polizeioberkommissar Wolfgang Manser ist stellvertretender Leiter des Verkehrsdienstes, kurz VD genannt. Er und seine Kollegen sind „die Jungs von der Straße“ — bei Wind und Wetter unterwegs, denn: Sicherheit richtet sich nicht nach dem Wetter. Heute sind Manser und Kollegen den Rüben auf der Spur. Viel erleben werden sie dabei nicht, und das ist auch schon die gute Nachricht.

Als die Leute vom VD Anfang der 90er die ersten Rübentransporte kritisch unter die (Sicherheits)Lupe nahmen, trauten sie mitunter ihren Augen nicht. Es konnte vorkommen, dass von zehn kontrollierten Fahrzeugen die Hälfte nicht verkehrstüchtig war: Total überladene Anhänger, defekte Bremsen und miserabele Beleuchtung waren an der Tagesordnung, Unfälle mit Rübentransportern keine Seltenheit. Wolfgang Manser: „Ein Trecker mit zwei Anhängern ist leicht 18 Meter lang. Wenn so ein Zug über die Kreuzung fährt — ohne Reflektoren und nur vorne und hinten beleuchtet, dann sind 16 Meter unsichtbar.“ Schließlich rollten und rollen die Transporte auch in der Dunkelheit: Lebensgefahr!

Des Bauern letzter Rat ist Draht

Für die Bauern konnten die  Kontrollen somit schnell schon mal etwas kostspieliger werden. „Wir mussten Gutachter bestellen, dazu kamen dann Bußgelder — da kamen leicht 1.000 Mark zusammen“, erinnert sich Manser. „Wir haben da wirklich Züge angehalten — das glaubt heute keiner mehr. Die waren zusammengeflickt nach dem Motto: Des Bauern letzter Rat ist Draht.“ Die Hänger waren überladen, herunter gefallene Rüben säumten die Straßen und es ist ein Wunder, dass damals nicht noch mehr passiert ist. Damals! 

Mit 140 über die Piste

Die Zeiten haben sich geändert. Das wird der heutige Einsatz beweisen. Wolfgang Manser und seine Kollegen Jakob Urselmans, Frank Bormann, Rüdiger Knoll und Achim van Soest postieren sich an einer der Einflugschneisen für den Rübentransport — der B67 in Höhe Appeldorn. Die B67 ist eine Rennstrecke — also wird auch das Lasergerät auch eingepackt. Mal sehen, was läuft. Es läuft eine Menge. Eigentlich läuft es nicht — es rast. Mit 140 fliegen manche über die Piste. Wenn sie angehalten werden, beginnt jeder Satz mit "ich". „Ich fahre doch sonst immer ganz defensiv“, sagt einer, der im Firmen-Mercedes (SLK) die Schwerkraft überlisten will. 147 Stundenkilometer werden gemessen — Beifang, denn es geht ja um die Transporter.

Das Gesetz ist eine Sache — Realität eine ganz andere

Geachtet wird auf alles, was sicherheitsrelevant ist: Ladungssicherung, technischer Zustand von Zugmaschine und Hänger, Bremsen, Reifen, Beleuchtung und Papiere.  „Die Zeiten, in denen die Bauern ihre Rüben noch selbst mit dem Trecker nach Appeldorn brachten, sind ohnehin vorbei“, erklärt Wolfgang Manser. Heute sind Treckergespanne mit zwei Hängern eher die Ausnahme. Manser und seine Kollegen stoppen einen Laster aus Viersen. Die Ladung ist in Ordnung  — nichts ist zu hoch aufgetürmt. Die Bremslichter sind sauber. (Was nützt ein Bremslicht, dass vor lauter Dreck nicht mehr zu sehen ist!)

Bei der Überprüfung der Tachoscheibe allerdings zeigt sich, dass der Fahrer es einen Tick zu eilig hatte. LKW über 7,5 Tonnen und solche mit Anhänger dürfen außerorts nicht schneller fahren als 60 Stundenkilometer. Das Gesetz ist eine Sache — Realität eine ganz andere: Zeit ist Geld heißt es für die Fahrer. Hilft nix. Der Trucker bezahlt am Ende 60 Euro und „erntet“ einen Punkt in Flensburg.

Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige!

Die Bilanz in puncto „Technische Mängel“ wird am Ende des Einsatzes vorbildlich sein: Null. Zu verbessern aber gibt’s immer was. Da wären die verdreckten Rücklichter beim einen, geputzte Reflektoren an den Seitenwänden der Hänger beim anderen — alles in allem Kleinigkeiten für einen, der sich erinnert, wie es „früher“ war. Da war Rüben-Zeit Wild-West-Zeit. Während also die Transporter allesamt gut weg kommen, sind innerhalb von 20 Minuten zwei PKW-Fahrer mit mehr als 140 Stundenkilometer dabei. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Raser haben gute Ausreden und sind allesamt ansonsten immer Langsamfahrer.

Es bleibt die gute Nachricht: Seit den Anfängen der Kontrollen ist die Verkehrssicherheit bei Rübentransportern um mehrere 100 Prozent gestiegen. Wild-West, das war vorgestern. So werden Kontrolleinsätze an der Rübenfront zu eher ereignislosen Aktionen, aber eben das ist die gute Nachricht.



Heiner Frost
Erstellt: 18.03.2007, letzte Änderung: 18.03.2007